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Sie hat nur zwei Rotweinflaschen zu ihrem Geburtstag eingeladen.
Nie rückwärtsgehen. Wenn das eine Art Lebensmotto ist, haben ihm die Jahre zugesetzt. Die Taten und Untaten und Untätigkeiten. Anna Marx ist vierundsechzig Jahre alt. Wie in dem
Beatles-Song, den sie wieder und wieder spielt. When I’m Sixty-Four … unmelodisches Schniefen als Untermalung, aber da ist sie schon ganz schön betrunken.

aus: Anna Marx und der sanfte Tod

Eine Frau im männlichen Machtzentrum

Anna Marx arbeitet in den 80er Jahren als Journalistin und schreibt über jede Art von Empfängen, Bällen, Modeabenteuern, Liebesaffären, Saufgelagen, Society-Klatsch … Sie schafft das Sahnehäubchen, das wohlverdient ist, wenn sich die Leser der Zeitung erst einmal pflichtbewusst durch Politik und Wirtschaft gearbeitet haben.

Anna lebt in Bonn, als Bonn noch das Machtzentrum der Bundesrepublik Deutschland war. Damals gab es noch den Eisernen Vorhang und eine dicke Berliner Mauer. Bonn war das Zentrum von Politik und Lobbyarbeit – und aller Art von Spionage. Politiker hatten ihre bevorzugten Treffpunkte in Restaurants und Kneipen, Journalisten ebenso – es war in erster Linie eine Männergesellschaft, in die sich einige Frauen hineingeschmuggelt hatten.

(Anna, eine Frau mit hinreißender Figur und roter, lockiger Haarpracht, erinnert sich, dass ein hoher Ministerialer einmal sagte, sie habe viel Holz vor der Hütten … Eine Bemerkung, die heute, im Jahrzehnt von Me Too, völlig undenkbar ist.)

Anna ist alleinstehend. Sie hat einen Liebhaber, aber der ist verheiratet und nicht an einer Scheidung interessiert. Anna träumt davon, Artikel für ein landesweites Nachrichtenmagazin über aktuelle politische Themen zu schreiben … Leider bleibt sie bei Klatsch und Tratsch hängen. Sobald sie Informationen über eine Affäre oder ein Verbrechen erhält, die sich für einen Artikel auf der Titelseite eignen, fängt sie an, herumzuschnüffeln. Es funktioniert, aber leider steht auch danach ihr Schreibtisch immer noch in der Gesellschaftskolumne.

Von Zeit zu Zeit gibt es Verbrechen, die typisch für das Bonner Milieu sind, und Anna ergreift ihre Chance. Manchmal wird sie auch mit Ermittlungsaufgaben betraut, z. B. eine Ehefrau beschatten, dem Geld nachgehen, wenn es um Bestechung geht, den Verbleib von wichtigen Geheimdokumenten aufspüren … Anna nutzt ihr Wissen über die Gesellschaft und schnüffelt herum. Manchmal gibt es einen Mord … Manchmal ist am Ende ein guter Artikel möglich … Es ist die Zeit, als es noch keine Flüchtlingskrise gab, keine illegalen Einwanderer, sondern der Umweltschutz langsam ins öffentliche Bewusstsein rückte und Protestbewegungen gegen Atomkraftwerke Schlagzeilen machten. Anna muss sich in ihren Fällen mit einer Vermischung von sozialen und politischen Tatsachen und Aktionen auseinandersetzen, was meist durch einen Mord an Brisanz gewinnt.

Schließlich beschließt sie, nach Berlin zu ziehen, dem nächsten politischen Brennpunkt – und Privatdetektivin zu werden.

Lange Zeit gab es keine Nachrichten über Anna Marx und ihr Schicksal. Endlich kam ein Roman, der mit ihrem vierundsechzigsten Geburtstag begann.

Berlin war für Anna kein Erfolg geworden. Ihr Detetktivbüro läuft schlecht, sie ist finanziell am Ende, ihre Wohnung wird gekündigt wegen Sanierungsplänen, die auf altem Baugrund moderne Strukturen schaffen wollen, Freunde verschwinden … als sie plötzlich eine Einladung von einer Kollegin aus ihrer Bonner Zeit erhält. Die Kollegin hat den Journalismus wegen einer Heirat an den Nagel gehängt und ist inzwischen eine wohlhabende Witwe. Sie macht sich Gedanken über den Tod ihrer Mutter in einem Altenheim, eine der ersten Adressen in Bonn, eine luxuriöse Senioreneinrichtung.

Anna löst ihren Haushalt auf und reist nach einer Abschiedsparty zurück nach Bonn, wo sie in einer Einliegerwohnung in der Villa ihrer Kollegin leben kann. Sie beginnt zu recherchieren – und spaziert gleichzeitig durch Bonn und Bad Godesberg, um Orte, Bars, Restaurants … Freunde aus ihrer Vergangenheit zu finden. Natürlich ist das Machtzentrum jetzt nach Berlin verlegt worden …

Anna ist nicht mehr die rote Sexbombe – nur die Leidenschaft für das gute Leben ist geblieben. So mancher Freund verschwand oder starb. Die Helden der 80er Jahre … alle weg. In Berlin hat sich eine neue Kultur etabliert, die kaum vergleichbar ist mit der Bonner Szene, diesem besonderen politischen und wirtschaftlichen Umfeld, in dem Anna vor Jahrzehnten Geheimnissen nachging.

Kurzum: Anna klärt auf, was in der Seniorenresidenz mit den verdächtigen Todesopfern (inzwischen mehrere …) geschah. Gleichzeitig meldet sich Covid mit den ersten Lockdowns … ihre Kollegin fliegt mit einem neuen Freund in die Sonne und Anna darf erst einmal in ihrer Einliegerwohnung bleiben. Alles weitere wird sich finden, denkt sich Anna.

Ich mochte die Romane um Anna Marx beim Lesen in den 80er und 90er Jahren … der letzte Roman ist ebenso fesselnd, allerdings vor allem unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Veränderungen, politischer Entwicklungen, neuer sozialer Befindlichkeiten.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare