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Quelle: pixabay
»Oh, du liabs Herrgöttle von Biberach, wia hent di d’ Mucka verschissa!«
Ernst Bienzle (immer wieder)
Es begann mit einem Atomkrieg …
Irgendwo im ländlichen Nirgendwo im Südwesten Deutschlands liegt ein kleines, beschauliches Städtchen, wo die Uhren immer noch etwas langsamer zu gehen scheinen. Es gibt gute Hausmannskost in den Restaurants und immer wird dazu schnell ein Glas süffiger Wein serviert.
Zu dumm, dass ganz in der Nähe ein Atomkraftwerk betrieben wird. Der Bürgermeister ist ganz angetan, denn es bringt Arbeit und Steuergelder in sein Städtchen. Aber … da gibt es auch andere mit vielen Ängsten und Befürchtungen bis hin zu Verschwörungstheorien.
Es ist Ende der 70er Jahre: Atomkraft? Nein Danke.
Die Grünen haben zwar das Licht der Welt noch nicht erblickt, aber viele protestieren gegen die zivile Nutzung der Kernenergie. Das politische Klima heizt sich auf …
… und dann entdeckt ein Journalist auf der Müllkippe unseres beschaulichen Städtchens nuklearen Abfall, der dort aber auch gar nichts zu suchen hat. Ein Sturm bricht los! Plötzlich meldet sich eine Terroristengruppe, die damit droht, mit weiterem Nuklearabfall Gewässer zu verseuchen. (Wir sind in den 70er Jahren – die RAF lässt grüßen!)
Mit einem Schlag ist ein Plot mit allen relevanten Zutaten angerührt, der sich wie eine Katastrophe anfühlt. Aber wir sind in Baden-Württemberg: hier wird gearbeitet, fleißig geschaffen und redlich gelebt. Aus Stuttgart wird Kriminalhauptkommissar Ernst Bienzle entsandt, um den Schlamassel zu richten.
Bienzle schaut sich um und dann wird alles sehr schnell auf ein sehr begrenztes lokales Umfeld reduziert – und die Täter werden dingfest gemacht. Es gibt keinen Terroranschlag – hat nie einen gegeben. Es gibt ein wenig Action, aber es bleibt gemütlich. Der Atomkrieg findet nicht statt.
Und sonst?
Bienzle ist bei seinem ersten Fall Ende dreißig und er altert in den nächsten Jahren mit all seinen Fällen bis zur Pensionierung. Da er ein kleiner Workaholic ist, ist die Pensionierung eigentlich gar nicht sein Ding, aber er kann’s nicht ändern. Ohne jetzt vorzugreifen: er schwänzt seine Abschiedsfeier und fährt kurzerhand mit seiner Lebensgefährtin in den Süden, ins Tessin, um einen langen Urlaub zu machen.
Sein Privatleben ist schwierig. Seine Ehe scheitert an seinem Beruf und seiner Besessenheit, wenn er in einem Fall steckt. Er findet eine neue Lebensgefährtin, aber auch hier gibt es ein Auf-und-Ab … Immer wieder mal hat für Bienzle sein Berufsleben Priorität. Bienzle entdeckt aber schon, dass er nicht allein bleiben möchte bzw. es auch nicht kann.
Beruflich gibt es immer wieder neue Herausforderungen: Es gilt Morde aufzuklären, verschwundene Personen zu finden, Entführungen zu bearbeiten, Kindesmissbrauch … Alles, was passieren kann, passiert in diesen Jahrzehnten bis zur Pensionierung. Und Bienzle ist immer mittendrin. Er ist schließlich nicht nur für Stuttgart zuständig, sondern auch für das ganze Ländle drumherum. Langweilig wird es jedenfalls nie, denn jeder Fall fördert erstaunliche Geheimnisse, meist aus der Vergangenheit, zu Tage.
All die Jahre wird Bienzle von Günter Gächter unterstützt, kein Einheimischer, sondern ein Zugereister aus Berlin. Gächter ist sein Assistent, sein Freund, sein Vertrauter. Beide lieben die einheimische Küche, allgemein gutes Essen, und den Wein. Diese Facetten des Lebens spielen in allen Fällen ihre Rolle.
Aber die Polizei ist nicht nur edel, hilfreich und gut. Es gibt im Team auch Opportunisten, Neider, Quertreiber … nicht zu vergessen diejenigen, die gern eine ruhige Kugel schieben möchten. Bienzle trifft bei seinen Ermittlungen auf alle und alle beißen sich an ihm die Zähne aus.
Die technische Seite der Ermittlungen spielt immer eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse von Spurensicherung und Leichenschau sind zwar vorhanden, werden diskutiert und liefern ein paar Details, aber für Bienzle steht eher das Bauchgefühl im Vordergrund. Seine Ermittlungsmethoden, obwohl sie immer zum Ziel führen, werden eher vom Zufall und von Ahnungen und Erfahrungen gesteuert. Ein wenig erinnert mich das an das Urgestein aus Paris, Kommissar Maigret …
Die Romane sind eine gelungene Mischung aus provinzialer Gemütlichkeit und spannendem Kriminalfall – und zeichnen ein interessantes Bild der deutschen Provinz. Provinz? Da ist immerhin noch Stuttgart …
Irgendwie ist es wohl kein Zufall, dass Bienzle es geschafft hat, zum Tatort-Kommissar auf-(oder: ab-)zusteigen – je nachdem wie man dieses deutsche TV-Produkt sieht. Milieu und Verbrechen passen perfekt in diese Krimi-Serie, obwohl natürlich das Flair der Romane, das ihren Reiz ausmacht …