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Quelle: pixabay
Ein menschlicher Körper beginnt fünf Minuten nach dem Tod zu verwesen. Der Körper, einst die Hülle des Lebens, macht nun die letzte Metamorphose durch. Er beginnt sich selbst zu verdauen. Die Zellen lösen sich von innen nach außen auf. Das Gewebe wird erst flüssig, dann gasförmig.
Kaum ist das Leben aus dem Körper gewichen, wird er zu einem gigantischen Festschmaus für andere Organismen. Zuerst für Bakterien, dann für Insekten. Fliegen. Aus den gelegten Eiern schlüpfen Larven, die sich an der nährreichen Substanz laben und dann abwandern. Sie verlassen die Leiche in Reih und Glied und folgen einander in einer ordentlichen Linie, die sich immer nach Süden bewegt. Manchmal nach Südosten oder nach Südwesten, aber niemals nach Norden. Niemand weiß, warum.
Mittlerweile sind die Proteine der Muskeln zerfallen und haben einen für die Vegetation tödlichen Chemiecocktail produziert. Durch die Larven, die über das Gras krabbeln, entsteht so eine Nabelschnur des Todes, die sich zu ihrem Ausgangspunkt zurückspannt. Unter den entsprechenden Bedingungen – warm und trocken beispielsweise, ohne Regen – kann sie meterlang werden, eine dicke, braune Schlangenlinie, die von fetten gelben Larven zu pulsieren scheint. Ein sonderbarer Anblick, der jeden Neugierigen, dazu veranlassen würde, dieses Phänomen zurück zu seinem Ursprung zu verfolgen. Und so entdeckten die Yates-Prüder, was von Sally Palmer übrig geblieben war.
aus: Die Chemie des Todes
Die Toten und die Lebenden: Analyse und Action
Zu Anfang gibt es immer eine Leiche oder auch mehrere – oder was auch immer davon noch übrig ist. Dann kommen die Polizei und der Gerichtsmediziner, der Staatsanwalt und der Pathologe… und vielleicht wird dann noch ein Spezialist gebraucht, wenn die Leiche schon seit langem tot ist, verwest, zerstückelt, verrottet, mumifiziert, verbrannt, verfault – ich glaube, ihr wisst, was ich meine. Genau dann kommt ein forensischer Anthropologe ins Spiel.
Es ist Dr. David Hunters Aufgabe, all diese menschlichen Überreste zu untersuchen. Er wird als externer Berater der Polizei, jedoch unabhängig von Polizei und Staatsanwaltschaft eingesetzt. In seinem – sagen wir mal – normalen Leben arbeitet er in einem Universitätsinstitut und beschäftigt sich hauptsächlich mit archäologischen Funden.
Ich sollte darauf hinweisen, dass es immer detaillierte ekelerregende Berichte über die Leichen, ihre Untersuchung, die unschönen Teile der Autopsien usw. gibt. Natürlich kommt es darauf an, was ihr für euch selbst als „eklig” empfindet! Heute ist es in der Kriminal- und Thrillerliteratur an der Tagesordnung, sich intensiv mit dem körperlichen Zerfall in allen Details zu beschäftigen; in der Serie über Dr. Hunter scheinen diese Aspekte jedoch auf das Notwenige reduziert worden zu sein – also es gibt keinen künstlich erzeugten Nervenkitzel, der einfach nur schockieren soll. Alles wird eher im Stil eines wissenschaftlichen Berichts als in Form eines Thrillers dargestellt. Dennoch sind die Romane nervenaufreibend bis zum Schluss.
Wir folgen Dr. Hunter (ich nenne ihn immer so, weil er am Anfang eines der Romane ein wenig verärgert ist, als ein Polizist seinen Doktorgrad ignoriert) über etwa 9-10 Jahre. Chronologisch beginnt seine Geschichte mit dem tragischen Unfall seiner Frau und seiner Tochter, während Dr. Hunter an einem Fall arbeitet. Dieser Unfall und der “unvollendete” Fall sind jedoch nur Teil eines späteren Romans, der mit einem Rückblick aufgrund eines aktuellen Vorfalls beginnt.
Die Serie selbst beginnt damit, dass Dr. Hunter sein spezifisches Gebiet der forensischen Anthropologie verlassen hat, um als niedergelassener Hausarzt in der englischen Provinz zu arbeiten. Nachdem er Frau und Tochter verloren hat, sucht er einen Neuanfang. Etwa drei Jahre später wird er plötzlich in dem Dorf, in dem er lebt, in eine Mordserie verwickelt. Vom Verdächtigen wird er schnell zum Wissenschaftler, der die Opfer analysiert – und danach nimmt er seine alte bzw. neue Rolle wieder an und beginnt erneut in seinem eigentlichen Beruf.
Hauptthema der Serie sind Serienmörder und deren Kollateralschäden – mindestens drei der Romane befassen sich mit dieser speziellen Spezies. Im Allgemeinen stapeln sich die Leichen nach dem Schema: Der erste Mord führt zum nächsten … zum nächsten … Weil diese Serien – manchmal – eine Zeitlang fortdauern, verwesen die Leichen der Opfer – oder besser gesagt ihre Überreste.
Nun: Wenn es einen Verkehrsunfall gibt und das Opfer in einem Krankenhaus landet und stirbt, ist es nicht nötig, einen Spezialisten wie Dr. Hunter hinzuzuziehen. Er wird immer dann gefragt, wenn ein Opfer nach Wochen oder Monaten oder gar Jahren in feuchtem Boden gefunden wird, nach Tagen am Strand angespült, zu Asche verbrannt, in einem trockenen Dachboden mumifiziert wird… Das bedeutet, dass ihr immer eine Menge über den Zustand der Leiche und die chemischen Prozesse, die einsetzten und zu ihrer aktuellen Form führten, erfahren wirst. Hier wird es übel – besonders wenn dann eure Fantasie angeregt wird und eure Nerven zu zittern beginnen.
Dies ist aber nur ein Element der Serie. Bislang mag alles zu der Täuschung geführt haben, dass die Romane vor allem erzählen, was am Fundort der Leiche oder während der Autopsie passiert, aber Dr. Hunter ist ein aktives Mitglied des Ermittlungsteams, das dafür bekannt ist, seinen eigenen Weg zu gehen. Er kümmert sich gerne um den ganzen Fall und kann sich nicht auf seine eigentlichen Aufgaben beschränken.
Daraus ergibt sich einmal: Die Polizei, insbesondere der verantwortliche Ermittler, mag seine Einmischung in der Regel nicht und versucht, ihn kaltzustellen. Einmal ruiniert er sich fast seinen Ruf, so dass er für eine Tätigkeit als Polizeiberater kaum noch angefordert wurde. Es dauerte, bis seine Reputation wiederhergestellt war. (Im Allgemeinen fiel mir auf, dass die Polizei oft nicht gerade begeistert davon ist, einem Wissenschaftler zuzuhören.)
Zweitens sorgt Dr. Hunters Hartnäckigkeit für Action und Nervenkitzel. Er folgt gerne seinen eigenen Ideen und gerät oft in Schwierigkeiten – und wird verletzt. Wenn er nicht so fit und fähig wäre… An dieser Stelle fiel mir auf, dass Dr. Hunter nicht sehr vorsichtig ist – er geht gerne in Fallen und muss danach kämpfen, um zu überleben. Dieser Teil sorgt in allen Romanen zusätzlich für Spannung
Auch wenn er seine Eskapaden überlebt, ist Dr. Hunter nicht so glücklich und erfolgreich, wenn es um die Frauen in seinem Leben geht. Was dies betrifft, wirkt er etwas naiv. Er ist ein Gentleman, aber er wird von mehr als einer Frau in seinem Leben an der Nase herum geführt und ausgenutzt. Er ist einsam und möchte schon wieder eine Frau an seiner Seite haben, aber immer scheint er sich in die falsche Frau zu verlieben, was uns wieder zu seinen aufregenden Abenteuern jenseits der Leichenhalle und seines Labors zurückbringt.
Habe ich gerne die Romane über Dr. Hunter gelesen? Ja – mir gefällt vor allem der sachlich, wissenschaftliche Erzählstil, wenn es um die Leichen geht. Dies ist ein Markenzeichen der Romane.
Ansonsten: Es gibt einen Roman über einen wirklich schlimmen Serienmörder… Ich denke, hier wurde etwas übertrieben. (Selbst US-Polizisten fern der Großstädte (aka Landeier) können nicht so blind und taub sein, dass sie es nicht merken, wenn Dutzende von Menschen verschwinden … auch wenn es sich über einige Jahre hinzieht!) Es gibt dann auch noch einen Fall, in dem sich der Mörder als ein Polizist entpuppt – naja!
In den Romanen von Dr. Hunter, der noch immer um seine Frau und Tochter trauert, gibt es immer einen leicht depressiven Unterton – vielleicht gelingt es ihm demnächst, die Vergangenheit abzuschütteln.
… und es gibt immer wieder das Rätselraten über diese Frau, die versuchte, Dr. Hunter zu töten – natürlich hat er überlebt. Aber die Frau ist immer noch auf der Flucht – verschwunden. Sie wird wieder versuchen, sich zu rächen- mit einem noch längeren und schärferen Messer. Dr. Hunter wird zunehmend nervös, speziell als sich immer wieder herausstellt, dass sie irgendwo in seiner Nähe ist.