konstantin dühnfort, kriminalhauptkommissar

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Im Grunde war er konservativ und fand daran nichts auszusetzen. Als Blaupause für einen Fernsehkommissar würde er nicht taugen, dafür war sein Leben zu normal. Er war der Mann von nebenan, dem sein Beruf weder ein Trauma angehängt hatte, das ihn zum Säufer und Kettenraucher machte, noch reihenweise Beziehungen scheitern und so zum einsamen Wolf werden ließ. Er war auch nicht der prügelnde Bulle, der notfalls mit Gewalt und unter Missachtung aller Regeln, die für Ermittler galten – und das waren nicht wenige – , dem Recht zur Geltung verhalf, indem er es mit Füßen trat. Im Gegenteil, er hielt sich daran, denn schließlich sollten alle Beweise, die sein Team und er zusammentrugen, am Ende vor Gericht standhalten und nicht von einem mit allen Wassern gewaschenen Verteidiger in der Luft zerrissen werden, weil sie auf illegale Weise erlangt wurden und somit ein prozessuales Verwertungsverbot galt.

aus: Sieh nichts Böses

Gewalt auf der Wohlstandsetage

Wir sind in München und im Großraum München unterwegs – und wir befinden uns auf der Wohlstandsetage. Hier leben Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten, Mittelständler, reiche Landwirte: Menschen, die ihren Weg und ihr kleines oder auch größeres Vermögen gemacht haben und auf der Sonnenseite leben. Sie haben Familien und Kinder, die ebenfalls ihren Weg machen sollen – und das geht manchmal schief.

Anders gesagt: wir wühlen hier mal nicht im Kellerelend der Gesellschaft herum, um Straftaten aufzuklären, in die sich Obdachlose, Hartz4er, Gelegenheitsarbeiter, Nutten, Fixer, Illegale, Miethaie, Zuhälter und Sozialhelfer verstrickt haben – das typische Tatort-Ambiente eben. Allerdings bedeutet Wohlstand keineswegs, dass wir es hier nicht mit Cholerikern, Despoten, Kinderschändern, Erbschleichern, Betrügern, prügelnden Ehemännern, überschuldeten Firmenchefs, traumatisierten Opfern und … zu tun haben.

… und sie alle treffen irgendwie und irgendwann auf Kriminalhauptkommissar Konstantin Dühnfort: niemand nennt ihn übrigens Konstantin – alle nennen ihn Tino. Er stammt aus Hamburg und ist nach München umgesiedelt. Wunsch seines erfolgreichen und renommierten Vaters war es, dass auch Tino ein herausragender Rechtsanwalt und Strafverteidiger – so wie er selbst – werden sollte. Tino kam damit nicht klar und spätestens, als ein Mörder durch das Wirken seines Vater glimpflich davon kam, wurde ihm bewusst, dass er auf der anderen Seite stehen wollte. Konsequent brach er sein Jurastudium ab und startete bei der Polizei durch. Um Konflikte mit seinem Vater vor Gericht zu vermeiden, liess er sich recht schnell nach München versetzen. Sein Vater war nicht begeistert, aber er hatte noch Tino’s Bruder Julius, der exakt das wurde, was der Vater sich wünschte. Die Mutter ist Malerin und lebt schon seit Jahren vom Vater getrennt. Tino ist wie sie Aussenseiter der Familie (ich will nicht schwarzes Schaf sagen …), aber erst langsam kommt es im Laufe der Jahre wieder zu einer Annäherung an den Vater.

Tino, mittlerweile Anfang 40, steht zu Beginn der Serie gerade vor den Trümmern seiner letzten Beziehung und lebt allein. Er verliebt sich schließlich in eine Frau, die er bei einer Ermittlung kennenlernt, aber es wird nichts daraus, denn sie ist nach einer traumatischer Erfahrung noch nicht reif für ein neues Beziehungsabenteuer.

Tino liebt das gute Leben: er kocht gern italienisch, liebt italienische Delikatessen und kauft oft auf dem Viktualienmarkt schnell noch etwas für das Abendessen ein. (Auch sein Rufname Tino erinnert irgendwie an Italien!) Er kann nicht ohne Espresso leben und hat sein Büro im Polizeipräsidium mit einem professionellen Espressoautomaten bereichert. Wenn er Stress hat, stopft er sich mit extra dunkler Zartbitterschokolade voll. Er hält nicht viel von Sport, kauft sich aber ein Segelboot, mit dem er über den Starnberger See segeln möchte – eine Erinnerung an die Segeltörns seiner Jugend auf der Nordsee. Als er dann zum ersten Mal in See sticht, geht es fast daneben, da er einen Anfängerfehler macht und beinahe ertrinkt. Sein Lieblingswort ist übrigens Merde.

Tino wird im Laufe der Romane klar, dass er eine Familie gründen möchte. Er lebt lange Zeit neben einer Frau, ohne zu merken, dass diese ihn liebt, abgöttisch liebt … davon später mehr. (Sie kommen natürlich zusammen und beginnen mit der Familienplanung.)

Ein expliziter Hinweis: Tino liebt Espresso, er ist clever und freundlich, er ist beharrlich und aufrichtig, er liebt dunkle Schokolade und er kann fantastisch kochen. Gibt es eine Frau, die sich so etwas an ihrer Seite nicht wünscht?

Es geht in den Romanen immer wieder um Rache, eine späte Rache an der Familie, die den Täter vor Jahrzehnten im Stich gelassen hat, gedemütigt hat, misshandelt hat. Inzest, Kindesmissbrauch und Misshandlungen gehören zu den zentralen Themen, die aus der Vergangenheit heraus heute zu Verbrechen führen. Kinder rächen sich an ihren Eltern, Inzestopfer können nicht von den Eltern lassen und suchen Ersatzfiguren, die sie quälen und töten können. Kleine Kinder werden entführt, junge Frauen sterben, die sich nicht an selbstgebastelte, verquere Moralkodices halten. Unschuldig Schuldige werden in Selbstjustiz zur Rechenschaft gezogen. Gier verführt Kinder zum Mord. Eltern möchten ihre Kindern behüten und fördern, was zu einer sozialen Hetzjagd auf vermeintliche falsche Freunde führt. Rache ufert aus, ist nicht mehr steuerbar und führt zum Tod mehrerer Menschen. Ein Sohn tötet rücksichtslos, um an sein Erbe zu kommen; eine Frau tötet ebenso kaltblütig, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen, wie sie es schon in ihrer Kindheit gelernt hat.

Jeder Roman stellt ein kleines Universum für sich dar: es beginnt vordergründig mit einem Verbrechen, dann folgen weitere, dann kommen Taten der Vergangenheit ans Tageslicht, dann werden Taten von Randfiguren ruchbar und Vertuschung erfordert ihren Blutzoll. Die Geschichten werden nicht nur aus Tinos Sicht erzählt, sondern auch andere Personen und der Täter kommen zu Wort. Es gibt keine singuläre Beziehung zwischen Täter und Opfer, die von der Polizei aufgedröselt wird. Es gibt viele Schicksale, die miteinander verwoben sind oder verknotet werden und die sich zum Guten oder Bösen entwickeln.

Tino schwimmt natürlich nicht allein in diesem Schlamassel. Seine beiden engsten Mitarbeiter sind Gina Angelucci und Alois Fünfanger. Alois und Tino sind recht unterschiedlich: Tino immer in Smart Casual, Alois mit Massanzug und Massschuhen – Tino mit leichten Bauchansatz, Alois durchtrainiert –  Tino allein, sich nach einer Familie sehnend, Alois als Vater eines unehelichen Kindes mit immer neuen Freundinnen … Alois ist nur 3 Jahre jünger als Tino und will Karriere machen, aber er ist nicht so gewissenhaft wie Tino. Das alles führt immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden, aber nach und nach raufen sich zusammen, speziell nachdem Alois Tino das Leben rettet.

Und dann kommt Gina … unsterblich verliebt in Tino, aus einer eher alternativ angehauchten Großfamilie … Es dauert lange, bis Tino begreift, dass Gina ihn liebt und dass er Gina liebt. Sie kommen schließlich zusammen, ziehen zusammen … und ihre beruflichen Wege müssen sich folglich trennen. Gina geht in die Abteilung für Cold Cases.

Tino bekommt eine neue Kollegin: Kirsten Tessmann. Kirsten trägt viel emotionale Last mit sich herum. Ihr Ehemann hat sich vor ihren Augen erschossen, ihre Teenager-Tochter hat sich abgewendet, ihre Schwiegereltern machen Stimmung gegen sie … aber beruflich ist sie aussergewöhnlich gut.

Daneben gibt es natürlich die üblichen Verdächtigen wie den Staatsanwalt, die Pathologin, den Computerfreak, der nicht wie ein Polizeibeamter aussieht, aber alle Probleme mit Handies, sozialen Netzwerken, Internet und Notebooks löst. Die Spurensicherung begibt sich auf CSI-Pfade und ist immer überarbeitet. Alle spielen ihre gewohnten Rollen, aber alle sind menschlich. Sie haben ihre Macken, ihr Vorlieben, ihr eigenes Leben, das sich mit Beruf und Kriminalfällen vermischt, aber bodenständig bleibt.

Bodenständig ist ein Charakteristikum dieser Serie von Kriminalromanen. Die Verbrechen sind grausam und widerlich, die Eskalation der Gewalt und die Auswirkungen auf Unschuldige sind fürchterlich, aber wir sind in München mitten im normalen Leben. Alles, was passiert, kann jederzeit bei uns passieren. Wir bewegen uns in einer Gesellschaftsschicht, die überall gleich ist.

Es ist die offensichtliche Normalität, hinter der sich Brutalität und Grauen verstecken. Alles ist nach außen friedlich und harmonisch. Die Verbrechen fallen nicht plötzlich vom Himmel, sondern alles hat eine Vorgeschichte und hat sich über die Jahrzehnte entwickelt. Väter, die ihre Söhne nach ihrem Willen formen wollten, Kindesmissbrauch, der totgeschwiegen wurde, weil es nicht ins Bild der Familie und der Gesellschaft passte. Alles rächt sich … an den Schuldigen und den Unschuldigen, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind.

Die Romane sind spannend und liefern immer wieder überraschende Wendungen. Die Autorin ist nicht darauf aus, um jeden Preis Action und extreme Verbrechen von Serientätern zu schildern. Sie zeigt vielmehr unser normales Leben in einer Gesellschaftsschicht, wo erst einmal niemand Brutalität und Verbrechen vermutet, es aber unter der sauberen, polierten Oberfläche umso heftiger brodelt. Die Romane zeigen auch, dass die (wenn auch fiktive) Realität schlimmer und fürchterlicher sein kann, als sorgfältig ausgearbeitet Romanplots, die jenseits unserer Realität spielen. Vielleicht gehen die Romane deshalb so unter die Haut.

Was gibt es sonst noch?

Es ist ein Spin-off erschienen, in dem Gina Angelucci die Hauptrolle als Ermittlerin in Cold Cases spielt – abgesehen davon passen die Romane zum Konzept und in das Gesamtbild der Serie.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare