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Er konnte Brassens immer hören. War er gestresst, begann er seine Tage am liebsten schon mit Brassens. Bei den Gitarrenklängen konnte er wegtauchen. Sich isolieren und dennoch nachdenken. Unbehelligt von allem, was ihn umgab. Er hörte dann weder Lilly schreien noch Matteo rufen, und er sah Hélène nur wie hinter einer Milchglascheibe agieren. Bis Hélène eines Tages eine Platte von Brassens, die er gerade hörte, vom Plattenspieler nahm und zerbrach. Ich kann nicht mehr, sagte sie. Geh!
Das Einzige, was er bisher angeschlossen hatte, waren seine Stereoanlage und der Fernseher. Der Plattenspieler für seine Vinylplatten stand auch schon und seine LPs nahmen mehrere Meter Raum ein. Endlich hatte er Platz dafür. Trotz oder vielleicht auch wegen seiner Unmusikalität brauchte er Musik. Er genoss es, dass er in diesem Haus die Anlage aufdrehen konnte, ohne dass Nachbarn an die Decke klopften. Musik muss man laut hören, war seine Ansicht. …
Er wählte eine saubere Jeans, griff nach der Lederjacke, zögerte jedoch. Erster Tag immerhin. Ein Mord im Palais. Erneut betrachtet er sich im Spiegel. Er wusste, dass die rötlichen Locken ihm etwas Wildes und Jungenhaftes gaben. Frauen hatten stets Lust, ihm durch die lockigen Haare zu fahren, ganz egal, wie kurz er sie auch trug. Heute wollte er allerdings gern etwas seriöser wirken. Er nahm das Sakko aus dem Garderobenschrank. Und los, sagte er zu seinem Spiegelbild. Neue Stadt, neuer Job, neues Glück.
aus: Mörderische Côte d’Azur
Ein großer Junge auf der Suche nach Gerechtigkeit
Léon Duval macht einen Neuanfang in Cannes. In Paris lässt er seine Frau und seine beiden Kinder zurück – und die Ereignisse während einer Aktion gegen einen gesuchten Kriminellen, die zum Tod eines Kollegen und Freundes führten. Die Schuldgefühle reisen allerdings mit in den Süden.
Duval trifft in Cannes auf komplexe gesellschaftliche Strukturen, aus denen heraus die Verantwortlichen aus der Verwaltung, der Polizei, der Staatsanwaltschaft und auch die Untersuchungsrichter immer zuerst auf die Medien und deren Berichterstattung schielen, sofern sie nicht schon durch politischen Druck gebremst oder in gewisse Richtungen gelenkt werden. Cannes ist ein Juwel der Tourismusbranche, ein internationaler Hotspot der Filmindustrie, Heimat von Prominenten … Keine schlechte Presse darf dieses Idyll und diese Geldquelle an der Côte d’Azur stören oder gar beeinträchtigen. Nichts darf Touristen abschrecken.
Darüber hinaus gibt es in Cannes und an der Côte d’Azur Kriminalfälle wie im Rest von Frankreich, es gibt die gleichen Täter und Verwicklungen in Verbrecherbanden oder -clans. Es gibt also genug zu tun für Monsieur le Commissaire Léon Duval.
Duval ist kein Teamplayer, sondern ein Einzelgänger, der sich seine eigenen Gedanken macht und oft nach Bauchgefühl agiert. Natürlich hat er Mitarbeiter, aber die beschäftigt er gern mit Recherche-Aufgaben und langatmigen Befragungen. Im Grunde ist er es, der in den Fall eindringt und ihn schließlich anhand von Erfahrung und Wissensschnipsel löst. Es ist immer komplexer als es zuerst den Anschien hat …
Dabei kommen Duval meist seine Vorgesetzten, der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter in die Quere. Duval umschifft diese Klippen immer wieder und am Ende findet er den Schuldigen. Das bedeutet allerdings nicht immer, dass der Schuldige auch … Duval lebt in Cannes und muss nach den Regeln von Cannes und der Côte d’Azur spielen – auch wenn es ihm gegen den Strich geht.
Seine Fälle beschäftigen sich mit Kindesmissbrauch und Eifersuchtsdramen, illegaler Einwanderung und islamistischen Gruppierungen, Bandenkriegen, Diebstahl, Drogenhandel … Es ist eine Mischung, die charakteristisch für die heutige Zeit und den regionalen Hintergrund ist. Nebenbei lernt der Leser immer etwas über aktuelle soziale Probleme, speziell wenn sie durch die jüngere Geschichte initiiert sind …
In Cannes begegnet Duval seiner Vergangenheit. Er wohnt in einem großen Haus, das er von seinem Vater geerbt hat – nach gerichtlicher Einigung mit seinem Stiefbruder. Duval scheint mit seiner Familie nicht gerade glücklich zu sein. Sein Vater hatte ihn nie als Polizist gesehen, genauso wenig wie seine Mutter; beiden schwebte eher ein Arzt, ein Rechtsanwalt oder so vor. Jetzt lebt Duval in seinem Elternhaus und arrangiert sich mit allem – ein wenig.
Es wird für ihn schwierig, als er erfahren muss, dass sein Vater in Cannes sehr eng mit einem Kriminellen verhandelt war, einem einflussreichen Kriminellen, der über Leichen geht, wenn es sein muss. Nach und nach entdeckt er die Wahrheit und ist nicht glücklich damit, aber es ist Vergangenheit und Duval versucht, sich in der Gegenwart davon nicht beeinflussen zu lassen.
Duval findet natürlich auch eine neue Partnerin, ausgerechnet eine Journalistin, dazu noch eine Möchtegern-Enthüllungsjournalistin, die überall Unrecht und Verschwörung wittert. Für einen Kriminalkommissar, der kritische Fälle bearbeitet, ist diese Liaison nicht immer leicht. Die beiden kommen sich aber immer näher – und schließlich muss sich Duval mit der Idee anfreunden, dass er noch einmal Vater wird, was ihn zuerst nicht gerade entzückt.
Für Duval steht immer sein Beruf im Vordergrund. Er lässt alles stehen und liegen, vergisst alle Zusagen und Treffen, wenn es an einem Fall arbeitet. Mit diesem Arbeitsethos, an dem seine Ehe in Paris gescheitert ist, hat auch seine neue Journalisten-Partnerin zu kämpfen. Duvals Charme reicht oft nicht …
Kurz: Duval ist ein Workaholic, wenn er einen Mord aufklären will, aber man kann mit ihm viel Spaß haben, wenn auch er seine Freizeit genießen will. Ist er ein Partner fürs Leben?