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Der Journalist Mikael Blomqvist von der Zeitschrift Millennium wurde am Donnerstagmorgen zu drei Monaten Haft wegen böswilliger Verleumdung des Industriellen Hans-Erik Wennerström verurteilt. In einem viel beachteten Artikel über die sogenannte Minos-Affäre hatte Blomkvist behauptet, dass Wennerström staatliche Mittel, die für Inventionen in Polen genehmigt worden waren, stattdessen für Waffengeschäfte veruntreut habe. Mikael Blomkvist wurde zu Schadenersatzzahlungen in Höhe von 150 000 Kronen verurteilt. In einem Kommentar sagte Wennerströms Anwalt, Berit Camnermarker, sein Mandant sei mit dem Urteil zufrieden. Seiner Meinung nach handle es sich in diesem Fall um eine außerordentlich böswillige Verleumdung.
aus: Verblendung
Salander landete mittags auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda. Zusätzlich zu der reinen Flugzeit hatte sie neun Stunden am Grantley Adams Airport auf Barbados verbracht. … Als sie in Gatwick in London landete, hatte sie daher ihren Anschlussflug nach Schweden verpasst und musste übernachten, bevor sie umgebucht werden konnte.
Salander fühlte sich wie eine Staude Bananen, die zu lange in der Sonne gelegen hatte. Alles, was sie dabei hatte, ihr PowerBook, Dimensions in Mathematics und einmal Kleidung zum Wechseln war im Handgepäck. Sie nahm, ohne kontrolliert zu werden, den grünen Ausgang am Zoll. Als sie draußen in Richtung Flughafen-Shuttle-Bus wollte, wurde sie von klatschendem Eisregen begrüßt.
Sie zögerte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich immer für die billigste Lösung entscheiden müssen, und sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass sie mehr als drei Milliarden Kronen hatte, die sie im Internet durch guten, altmodischen Betrug gestohlen hatte. Nach ein paar Augenblicken, in denen sie fror und nass wurde, sagte sie zur Hölle mit dem Regelwerk und winkte einem Taxi.
aus: Verdammnis
(eigene Übersetzung)
Das kriminelle It-Girl
Da ist ein Mädchen, eine junge Frau – fit und clever, aber… leider wurde Lisbeth Salander in eine Gesellschaftsschicht hineingeboren, die sozial ganz weit unten angesiedelt ist. Ihre Mutter hatte ein Händchen dafür, den falschen Partner auszuwählen, einen brutalen Verbrecher, der aber unter dem Schutzschild der Staatssicherheit agieren durfte. Er missbrauchte seine Tochter, die sich schließlich wehrte – und sich so in einer psychiatrischen Anstalt wiederfand, wo sie wieder missbraucht wurde und noch mehr leiden musste.
Für den Staat und seine Vertreter ist sie lebensunfähig und braucht einen gesetzlichen Vormund, der alle Entscheidungen für sie trifft. Lisbeth hat aber wenigstens hier zum ersten Mal Glück, denn ihr Vormund erkennt ihre verborgenen Talente und fördert sie. Sie entwickelt sich zu einer außergewöhnlich guten Ermittlerin, spezialisiert auf tiefschürfende Hintergrundrecherchen zu Personen und Firmen mit Hilfe von allen möglichen öffentlichen und geheimen Datenbanken, Internetanalysen und Durchleuchtung finanzieller Transaktionen. Natürlich ist sie ein Nerd, ein erstklassiger Hacker – sie hat Tattoos und beste Verbindungen zu und in der Welt der glücklichen Hacker-Community. Ansonsten schert sie alles einen Dreck.
Dann plötzlich… das Glück ist launisch… Kurz gesagt: Ihre Vergangenheit erwacht wieder zum Leben.
Soweit Lisbeth. Reden wir mal über Mikael.
Carl Mikael Blomkvist (alias Kalle Blomkvist – Gibt es jemanden unter euch, der Astrid Lindgrens berühmten kleinen Detektiv nicht kennt?) ist der klassische, investigative Journalist, der immer auf der Suche nach einer guten Story ist, immer nach Betrug und Korruption fahndet. Eine seiner Reportagen geht dann aber plötzlich nach hinten los und katapultiert ihn (wegen Verleumdung) ins Gefängnis – und sein Ruf als wahrer und aufrichtiger Journalist wird schwer beschädigt.
Also: Was passiert nun?
Ich möchte von Anfang an darauf hinweisen, dass ich hier nur über die drei Originalromane rede – die ursprüngliche Millennium-Trilogie. Stieg Larsson ist leider recht jung gestorben; es heißt, dass er an einem vierten Roman gearbeitet hat, aber seine Erben halten diese Notizen unter Verschluss. So weit, so gut. Dennoch gibt es inzwischen Nachfolgeromane (von den Erben explizit genehmigt)… Wie immer beschäftigen wir uns nicht damit.
Es gibt also drei Romane, aber eigentlich ist es ein gewaltiges Epos der schwedischen Gegenwart.
Als Mikael wegen seiner Enthüllungen über einen Unternehmer und dessen mutmaßlichen schwarzen Geschäfte verurteilt wird, scheint seine Karriere am Ende angelangt zu sein, denn die Beweise für seine Story haben sich verflüchtigt. Ein mächtiger, alter Wirtschaftsmagnat, Henrik Vanger, meldet sich zu diesem Zeitpunkt bei ihm: Seine Großnichte Harriet verschwand vor etwa vierzig Jahren auf einer einsamen Insel, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätte. Vanger glaubt, dass ein Mitglied seiner eigenen Familie sie getötet hat und mit dem Mord davongekommen ist.
Mikael soll eine Untersuchung beginnen: noch einmal von Grund auf neu alles analysieren. An seiner Seite wird Lisbeth arbeiten, die aktuell für ein Top-Sicherheitsunternehmen mit Verbindungen zu Vanger aktiv ist. (Wenn man Lisbeth in ihren schwarzen, zerfledderten Leder-Outfits begegnet, mit ihren gegelten Haarspitzen, ihren Tattoos, ihren Piercings…, kann man sich nicht so recht vorstellen… ok – sie ist immer im Hintergrund!)
Warum sollte Mikael diese Recherche überhaupt übernehmen? Vanger lockt ihn, indem er verspricht, diskreditierende Informationen über den Geschäftsmann zu liefern, der für den Ruin von Mikaels Ruf als Journalist verantwortlich ist. So beginnen beide herumzuschnüffeln, um diesen speziellen „locked room“-Fall aufzuklären.
Kurz gesagt: Sie lösen den Fall und decken noch viel mehr auf; ein Massenmörder treibt sich seit Jahrzehnten in der Familie Vanger herum und ist zu allem bereit. Mikael erfährt am eigenen Leib, wie schnell er zum Ziel des Massenmörders wird, und Lisbeth rettet sein Leben buchstäblich in letzter Minute. Außerdem wird natürlich sein Ruf als Journalist wiederhergestellt (auch mit Hilfe von Lisbeth) – und Lisbeth wird reich.
Mikaels nächste Enthüllungsstory beschäftigt sich mit Menschenhandel… und Lisbeth, die ihn unterstützt, sieht sich plötzlich einigen dunklen Gestalten aus ihrer Vergangenheit gegenüber. Als ihr Vormund krank wurde und durch einen anderen Juristen ersetzt wurde, der Sex von Lisbeth erpresste, schlug Lisbeth zurück und schloss diesen Fall ein für allemal für sich selbst ab. Leider hat sie nicht mit neuem Ärger gerechnet. Ihr Vater taucht, beschützt von der Staatssicherheit, wieder auf, um sich zu rächen, zu verletzen, zu töten – und er hat seine Finger auch im Menschenhandel, dem Fall, den Mikael gerade untersucht.
Es wird eine lange Geschichte mit vielen Facetten und überraschenden Wendungen. Lisbeth muss um ihr Leben und ihre Freiheit kämpfen, als ihre Gegnersich verbünden und gemeinsam zurückschlagen und sie für den Rest ihres Lebens hinter Gittern bringen wollen. Natürlich mischt sich Mikael ein und versucht, diesen Dschungel von Polizei, Staatssicherheit, Politikern, Sozialfürsorge, psychiatrischen Einrichtungen zu durchdringen, wo alle Verantwortlichen ihre Leichen im Keller haben, weil sie in der Vergangenheit falsche Prioritäten gesetzt haben. Ein Skandal von enormem Ausmaß, der die schwedische Verwaltung und Gesellschaft erschüttert, wird aufgedeckt – ein großer Tag für einen investigativen Journalisten wie Mikael.
Diese ganze, lange Geschichte wird uns in einem klaren, knappen Stil präsentiert. Stieg Larsson benötigt für seine Geschichte mehr als 1500 Seiten (englische Ausgabe) – und jede Seite ist lesenswert. Nicht nur die Geschichte ist spannend, sondern auch sein Erzählstil ist faszinierend. Vielleicht liegt es daran, dass Stieg Larsson ursprünglich Journalist war… Fokussierung liegt ihm im Blut.
Als ich mit der Millennium-Trilogie begann, war ich zunächst versucht, mich nur auf Lisbeth zu konzentrieren, denn sie ist der Prototyp eines neuen Rollenmodells in der Kriminalliteratur. Aber Lisbeth ohne Mikael funktioniert nicht. Lisbeth ist nicht autark – auch wenn sie es gern wäre. Obwohl sie hart und abgebrüht ist und sich um ihr Leben und ihr Fortkommen mit Erfolg kümmert, wäre sie im Labyrinth der Sozial- und Strafverfolgungsbehörden verschwunden; dafür hätten die fein gesponnenen Intrigen aller Verantwortlichen gesorgt, die die falschen Entscheidungen der Vergangenheit vertuschen sollten, um sich selbst und andere zu schützen.
Mikael ist Lisbeths Ritter in glänzender Rüstung – aber ohne Lisbeths Wissen über das Internet und ihre Fähigkeit, “Fakten” zu pervertieren, wäre Mikael nie in der Lage gewesen, sich selbst und seine Karriere zu retten.
Es geht also immer um beide!
So – Lisbeth ist ein neuer Prototyp. Wofür? Sie ist ein Mädchen und eine Frau, aber sie ist nicht die typische weibliche Romanfigur, die man erwartet. Sie interessiert sich nicht für ihre Schönheit oder ihre Outfits, sie interessiert sich nicht für eine übliche Karriere. Ihre Fähigkeiten konzentrieren sich auf Bereiche, die man bisher eher Männern zuschreibt: Informatik, Internet, Hacking, Mathematik… (Normalerweise – in Krimiserien – flitzt ein junger Mann mit Dreitagebart und Brille herum, der rund um die Uhr sein Leben vor seinem Notebook bzw. Smartphone verbringt und – immer – in der Lage ist, innerhalb von Minuten komplexe Datenanalysen zu erstellen, aber jedes soziale Leben geht an ihm vorbei…). Lisbeth ist intelligent und weiß mit ihrer Intelligenz etwas anzufangen – und sie ist inzwischen in der Lage, alles durchzusetzen, was sie will – wenn nötig, mit roher Gewalt. Dennoch hat sie ethische Grundsätze für sich selbst und ihre sozialen Beziehungen entwickelt. Also merkt euch: Internet und die geradlinige Durchsetzung der eigenen Interessen sind keine männliche Domäne mehr.
…und zum Schluss:
Alle Romane (3!) wurden in Schweden verfilmt – und die Filme sind brillant und halten sich eng an die Vorlage. Hollywood wollte sich das natürlich nicht entgehen lassen: Es gibt einen weiteren großartigen Film auf Basis des ersten Romans mit dem großartigen Daniel Craig. Was für eine lange Stieg-Larsson-Filmnacht!