pallioti und seine speziellen Fälle

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Pallioti blickte ihn an und zuckte mit den Schultern. Es war nicht mehr als ein leichtes Heben und Senken der Schultern – und es sprach Bände. Von Ungeduld. Verärgerung. Und etwas mehr als ein Hauch von Verachtung für die Schulen, die ihre Schüler nicht im Auge behalten konnten, vor allem, wenn ihre Schüler wohlhabend und aus Amerika waren und Eltern hatten, die sich leicht aufregten. …
Es war kurz nach neun Uhr am Morgen des ersten Mittwochs im Februar und immer noch eiskalt. …
‘Siebzehn Jahre alt. Nun, eigentlich wird sie am Freitag achtzehn.’ Pallioti rümpfte die Nase – über den schmutzigen Schnee und den bleiernen Himmel, der mehr Schnee versprach. ‘Amerikanische Staatsbürgerin”, fügte er hinzu. Sie kam im September mit einer Gruppe von einem College in Sherbrooke hier an. Post-Graduate Year im Ausland.’ Der Tonfall, in dem er die letzten Worte sprach, deutete darauf hin, dass dieses besondere Ritual, das in der ganzen Welt, vor allem aber in Amerika und England üblich ist, zumindest seiner Meinung nach von zweifelhaftem Wert war. Akademisch und auch sonst.
Darüber, dachte Enzo, kann man streiten. Manche Menschen würden sich nie weiterentwickeln, egal wie viele Stempel in ihrem Pass waren. Andere blühten in einer örtlichen Bibliothek auf. Unbestritten war jedoch, dass das Postgrad-Jahr, das Gap Year, das Juniorjahr im Ausland, das Sabbatjahr zur Selbstfindung – wie auch immer man es nennen wollte – einen beträchtlichen Beitrag zu den Kassen der Stadt leistete. Wohnungen wurden vermietet. Die Sprachschulen quollen über. Die Besuche in den Uffizien und der Accademia verdreifachten sich. Und natürlich kauften die Studenten Dinge: Gelati. Bier. Schuhe. Handschuhe. Alles, was mit Prada beschriftet ist. Werbepostkarten. Sie kauften viele Postkarten.
Die Grand Tour war nicht tot, sie hatte nur einen anderen Gang eingelegt. Sie ging mit der Zeit. Oder auch nicht. Im Grunde bedeutete sie immer noch das Gleiche. Ich kam, ich sah, ich kaufte ein. Manchmal dachte Enzo, das sollte das Motto der Stadt sein. Ein anderes Mal wurde ihm klar, dass es das war. …
‘Ich darf mal raten’, sagte Enzo, als sie auf die Straße traten. ‘Sie studiert Kunstgeschichte?’

aus: The Lost Daughter (eigene Übersetzung)

Heute und Gestern

Es fängt immer ganz harmlos an. Eine junge Studentin verschwindet. Anscheinend ist sie für ein langes Wochenende nach Süditalien oder Sizilien gefahren. Sie hat goldene Kreditkarten und hat diese vorher für einen ausgedehnten Einkaufsbummel benutzt. Es scheint, dass sie einen Freund hat … eher eine Art Sugar Daddy. Alles wäre ziemlich unspektakulär, wenn nicht ihre Eltern in Florenz aufgetaucht wären, um den achtzehnten Geburtstag ihrer Tochter zu feiern – und die kleine Prinzessin ist … verloren gegangen.

Pallioti und sein Assistent Enzo sowie der Rest ihres Teams, das sich eher den sonst auf Anhieb spannenden Fällen widmet, sind nicht begeistert. Sie tappen durch einen Nebel von Lügen lügen, stehen den Eltern für Fragen zur Verfügung, arrangieren sich mit der amerikanischen Botschaft … Und dann stoßen sie auf einmal auf eine Goldader.

Plötzlich werden Pallioti und sein Team in die späten 70er Jahre zurückkatapultiert, mitten in den Terror dieses Jahrzehnts. Erinnert ihr euch an all diese Gruppen und Terrorzellen wie die Brigate Rosse in Italien, die Rote Armee Fraktion in Deutschland … ? Die Vergangenheit wird mit einem Mal wieder lebendig und Pallioti und sein Team stoßen an ihre persönlichen und gesellschaftlichen Grenzen.

Pallioti ist in seinen 50ern (ein weiterer einsamer Wolf – keine Frau, keine Geliebte, keine Kinder) und Leiter eines Teams bei der Polizei von Florenz, das mit besonderen Fällen betraut wird. Komplexe Fälle. Fälle wie das Geheimnis der verlorenen Tochter – wie sich herausstellt. Während Pallioti und vor allem sein Assistent Enzo Saenz (in den 30ern – ebenfalls ein einsamer Wolf) ermitteln, manchmal langsam, Schritt für Schritt, geht es in den Romanen nicht nur um die Arbeit der Polizei. Im Grunde genommen ist die Polizeiarbeit nur von untergeordneter Bedeutung.

Jeder der Romane gibt uns nicht nur die Geschichte und die Gedanken von Pallioti und Enzo wieder, sondern auch von den Opfern, den Zeugen und den Tätern. Alle Fälle haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit und diese spezielle Vergangenheit wird detailliert dargestellt. Beim Lesen bekommt man schließlich einen vollständigen Überblick über alles, was passiert ist – vielleicht auch über einige Details, die Pallioti nicht klar sind.

Es gibt nur drei Romane. Einer der Fälle befasst sich mit bestimmten Methoden und Strukturen der katholischen Kirche in der Vergangenheit, die einen Serienmörder hervorgebracht haben, der in der Gegenwart wild agiert. Ein anderer Fall geht zurück in den Zweiten Weltkrieg und die italienische Widerstandsbewegung; der Verrat, begangen in der Vergangenheit, wirkt auch noch mehr als 60 Jahre später nach. … und dann ist da noch der Terror der Brigate Rosse, in den eine junge Frau verwickelt ist, die sich verliebt hatte. Alle Fälle sind komplex und der Hintergrund wirkt immer wie ein Dschungel von Menschen, Gefühlen, Taten …

Am Ende … Pallioti tritt schließlich zurück.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare