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Um 22 Uhr 34 erreichten wir die Leiche und das Kreuz mit einem Rettungsboot des Departments. Im grellen Licht der Suchscheinwerfer sprangen zwei Taucher vom Bug, befreiten das Kreuz aus einem unter Wasser liegenden Baum, und zogen es auf eine Sandbank. Die Wellen schwappten über das Gesicht der Toten. Man hatte sie mit einer Wäscheleine an die Balken des Kreuzes festgebunden. Ihre Augen waren geöffnet; sie hatte das gleiche blasse Blau wie Desmond Augen.
Unser Sheriff war Helen Soileau. Sie hatte sich im NOPD von einer Politesse zum Detective hochgearbeitet und war später in der Mordkommission des New Iberia Police Department meine Partnerin geworden. Nach der Zusammenlegung der städtischen Polizei mir der Polizei des Parish war sie zu unserem ersten weiblichen Sheriff gewählt worden.
Helen, ein Sanitäter, Sean und ich wateten durch das seiche Wasser auf den Sand. Helen richtete den Strahl ihrer Taschenlampe auf den Leichnam. “Mein Gott.”
Ich hatte mit meiner vorherigen Beschreibung falsch gelegen. Die Tote war nicht einfach nur mit einer Wäscheleine ans Kreuz gebunden worden. Man hatte ihre Knöchel seitlich ans Holz genagelt, wodurch ihre Knie im Verhältnis zu den Hüften abgewinkelt wurden. Helen beugte sich vor, strich das Kleid der Frau glatt und band ihre Handgelenke los. Der Sanitäter zog den Reißverschluss eines Leichensacks auf. Ich hockte mich neben das Kreuz. “Was meinst du, wie lange sie im Wasser war?”
aus: Blues in New Iberia
Im tiefen Süden
Willkommen in … den USA!
Dieses Mal ist es nicht das glamouröse Miami, nicht das geschäftige New York, nicht die Alles-ist-möglich-Westküste, und es gibt auch keine stromlinienförmigen Männer und Frauen in dunklen Anzügen, die unauffällige dunkle Limousinen oder 4WDs fahren. Es gibt auch keine Zentralen mit Monitoren, Monitoren, Monitoren und hyperschnellen Internetverbindungen, ganz zu schweigen vom Zugang zu jeder Datenbank auf der ganzen Welt und natürlich auch zu jeder Videokamera in jeder Seitenstraße irgendwo auf dieser Welt. Forensikteams, die in der Lage sind, zu analysieren, wer den grausam, blutigen Mord begangen hat, sobald sie ein einziges Haar finden – nein.
Willkommen im tiefen Süden der USA, wo Weiß und Schwarz und jede Farbe dazwischen alltäglich sind, wo es überall Armut, Arbeitslosigkeit, Alkohol, Drogen und Kriminalität gibt. Es ist heiß und feucht und ab und zu gibt es einen Hurrikan. Es gibt das Meer, es gibt große Flüsse mit noch größeren Deltas, es gibt Bayous und Sümpfe … Wir sind in Louisiana; die Hauptstadt ist Baton Rouge (nicht New Orleans), der große Fluss ist der Mississippi und das Meer ist der Golf von Mexiko.
… und ich denke, dass all diese Orte automatisch an Rassendiskriminierung und Gewalt, Südstaaten-Lebensstil, Plantagen und noch mehr Gewalt und Unterdrückung, Drogenschmiuggel denken lassen …
Es scheint, dass Dave Robicheaux irgendwo in den 50er oder 60er Jahren bei der Polizei arbeitet, aber es ist heute. Robicheaux ist ziemlich alt … geboren etwa Ende der 40er Jahre – also hat heute eine gewisse Bedeutung. Er war im Vietnamkrieg und hat noch heute Alpträume aus dieser Zeit, arbeitete später für das NOPD (New Orleans Police Department) und zog Jahre danach zurück nach New Iberia. Er erlebte Katrina im Jahr 2005 … Sagen wir einfach, dass er jetzt – heute – mindestens Ende 50 oder Anfang 60 ist – und belassen wir es dabei. (Übrigens ist er für sein Alter bemerkenswert fit!)
Während all seiner langen Jahre im Polizeidienst, vor allem in der Mordkommission, wird er mit Gewalt und Tod, Rassendiskriminierung und demütigenden Situationen in Gefängnissen konfrontiert. Robicheaux versucht, seinen Idealen treu zu bleiben. Er ist in Armut aufgewachsen und hat es geschafft, einen anständigen Lebensweg zu wählen und seine Entscheidungen angelehnt an seine Vorstellungen von Recht und Ordnung zu treffen. Kurzum: Er versucht, jeden Fall zu lösen und dafür zu sorgen, dass der Übeltäter das bekommt, was er verdient: ob Gefängnis, ob direkt in die Hölle.
Das ist nicht einfach, denn überall gibt es Waffen, jeder agiert schnell, spontan und brutal, wenn es Ärger, Übergriffe, sexuellen Missbrauch zu geben scheint – ganz zu schweigen von der Chance, den eigenen Lebensstil zu verbessern. Ermittlungen sind langwierig. Niemand redet gern, alle scheinen blind und taub zu sein. All dies ruht inmitten tiefer rassistischer Vorurteile. Das Polizeikorps kümmert sich erst einmal um sich selbst – Korruption und Machtmissbrauch blühen und gedeihen; vielleicht ist heute etwas transparenter, was so passiert, aber die Vergangenheit und ihre Verfehlungen sorgen immer wieder für Ärger, auch wenn inzwischen Jahre oder gar Jahrzehnte verstrichen sind.
Ein weiteres Ärgernis sind blutige Serienkiller, die gerne über Jahre in den Bayous ihr Unwesen treiben. Robicheaux muss sich mit ihnen auseinandersetzen, wenn plötzlich eine Leiche auftaucht, die zu einer weiteren führt … Wenn plötzlich die Leichen misshandelter und gequälter Opfer auftauchen, die auf einen Psychopathen und sein Werk hinweisen. Diese Fälle traumatisieren Robicheaux immer mehr, vor allem, wenn er oder seine Familie oder seine Freunde auf einmal zur Zielscheibe werden.
Robicheaux hat bis jetzt zwei Ehefrauen verloren. Wie ich erfuhr, gab es zu Beginn seiner Karriere eine weitere Ehefrau, die nie in den Romanen aufgetaucht ist – und es gibt jetzt eine vierte Ehefrau. Er hat eine Adoptivtochter, die in den Romanen mitspielt, seitdem sie fünf Jahre alt ist; damals hat Robicheaux sie aus einem versinkenden Privatflugzeug im Bayou gerettet. Inzwischen ist sie Juristin, die als Schriftstellerin arbeitet, und etwa Ende 20 oder Anfang 30. Sein bester Kumpel ist Cletus, mit dem er beim NOPD Mordfälle aufklärte. Cletus hat seinen Polizeijob an den Nagel gehängt und ist Privatdetektiv geworden. Er und Robicheaux landen oft mehr oder weniger schwer verletzt im Krankenhaus, wenn sie sich mit kaltblütigen und fanatischen Mördern anlegen.
Wie stellt Robicheaux Nachforschungen an? Er kennt seine Leute, er kennt seine Heimat. Er erinnert sich an vieles aus den vergangenen Jahrzehnten, als er irgendwo in New Iberia aufwuchs und lebte. Wenn er einen Fall bearbeitet, spricht er zunächst mit jedem, der eine Idee zu dem Verbrechen haben könnte – und meist ist er auf der richtigen Spur. Kurzum: technische oder wissenschaftlich fundierte Methoden gehören nicht zu seinem Repertoire; sein Chef, mittlerweile der erste weibliche Sheriff, lässt ihm viel Spielraum, weil sie weiß, dass Robicheaux am Ende erfolgreich sein wird.